06 Juni 2006

Zweiseitig

Nach einer kleinen Pfingst-Flaute bin ich heute mit Clara und Chris wieder voll ins Teilzeit-Mini-Leben eingetreten ;)
Unterwegs auf dem Heimweg von Schule und Kiga haben wir ein kleines Vogelnest gefunden. Es war leer, ich hoffe mal, die kleinen Vögelchen hatten es nur einfach schon verlassen und es wurde erst danach vom Baum geweht! Clara wollte es gerne mitnehmen, und ich fand die Idee eigentlich auch nicht so schlecht, ist ja sehr lehrreich, sowas. Aber ich weiß, dass ihre Eltern da möglicherweise etwas anders drüber denken... trotzdem durfte sie es mitnehmen und dann auf dem Balkon lagern, bis ihre Eltern eine Möglichkeit erhalten, sich dazu zu äußern.
Clara meinte, dass ja dann auf dem Balkon andere "schwangere Vögel" (grins) das Nest finden könnten und sich denken könnten "oh, ein fertiges Nest, wie schön, brauch ich keins bauen!". Clara war sehr überzeugt von der Idee des Nest-Sharings, aber ich habe sie dann doch darauf hingewiesen, dass Vögel nicht in dem Sinne "denken", sondern so handeln, wie es ihnen ihr innerer Instinkt gebietet, und deshalb auch ein eigenes Nest bauen würden, wenn 100 leere Nester um sie herum stünden. Clara fand das dumm, hat es aber eingesehen, denn sie weiß: "Tiere denken gar nicht. Zum Beispiel ein Käfer - dem ist das ganz egal, wenn sein Freund tot ist. Der denkt dann nur, 'och der ist tot, aber macht ja nix'. Das macht dem gar nichts aus!" Offenbar vermischen sich bei Clara magische mit realistischen Vorstellungen über das Wesen des Tieres noch etwas. Irgendwie glaubt sie wohl eigentlich noch immer, dass Tiere denken, auch wenn Erwachsenen ihr gesagt haben, dass es nicht so ist (ist es nicht??? ;)). In ihrem Beispiel jedenfalls scheint es ja eher so zu sein, dass der Käfer zwar denken kann, aber nicht fühlen. Möglicherweise ist der Unterschied zwischen diesen beiden Qualitäten des Bewusstseins ihr noch nicht klar.

Auch beim Essen blieben wir tierisch und haben Chris' Abendbrot mal etwas umgestaltet:



Möchte jemand raten, was für Tierchen das sind? Jaja, ich weiß, mit Essen spielt man nicht, aber Chris hat sich so gefreut und sich gleich eine Geschichte dazu ausgedacht (die ich dann auch praktischerweise nutzen konnte, um ihn zum Aufessen zu bewegen: [das Tier] ist jetzt ganz allein in deinem Bauch - iss doch seinen Freund auch noch auf, dann können sie dort zusammen spielen ;)).

Dann bin ich im Gespräch mit Clara noch auf ein sozusagen persönliches Dilemma gestoßen. Sie hat erzählt, dass ein paar Mädchen in der Schule ein Spiel gespielt haben, bei dem jeder etwas Schlechtes über die Nachmittagsbetreuerin Frau S. sagen sollte. Clara hat einige wirklich nicht sehr nette Beispiele genannt und dabei ziemlich unglücklich ausgesehen. Ich habe gefragt, ob sie da auch mitgemacht hat. Sie fühlte sich sichtlich unwohl, gab aber zu, dass sie zwar dabei gewesen war, aber dann nur etwas vergleichsweise "Harmloses" gesagt habe ("Frau S. ist eine Spielverderberin"). Ich habe ihr zwar gesagt, dass sie das ganz richtig gemacht hat, und dass "Spielverderberin" ja auch kein Schimpfwort ist, da ja Erwachsene aus Kindersicht wirklich ziemlich oft den schönsten Spaß zunichte machen. Aber war das wirklich richtig von mir? Hätte ich ihr nicht eher empfehlen sollen, das nächste Mal solche Spiele gar nicht mitzumachen oder besser noch, den anderen Kindern zu sagen, dass man es blöd und gemein findet, so über die Betreuerin zu sprechen? Denn das war eindeutig das, was Clara wirklich bei der Sache empfand. Moralisch wäre letzteres sicher der richtige Weg - aber kann man sowas seinen Kindern glaubhaft vermitteln? Ich weiß, dass ich als Kind ganz sicher nicht im moralischen Sinne gehandelt hätte - kann ich das dann von einem anderen Kind erwarten? Obwohl mir bewusst ist, wie ein solches aus Erwachsenensicht "richtiges" Verhalten bei Claras Freunden ankommen würde? Ich halte das für ein Dilemma. Wie sehen meine Leser das?

4 Kommentare:

Am 07 Juni, 2006 12:04 meinte Blogger Klabauter dazu:

Also ich finde, man hätte ihr Unwohlsein bei der Sache durchaus unterstützen können und ihr helfen können, eine Strategie zu entwickeln, wie sie beim nächsten Mal damit umgehen kann. Je nach Charakter des Kindes kann es ja von "da mach ich nicht mit", leiser Rückzug über "das find ich doof" gehen. Das mal durchzusprechen hätte sicher nicht geschadet.

 
Am 11 Juni, 2006 19:11 meinte Anonymous Anonym dazu:

Ich denke, man sollte das gedanklich strikt trennen - nachvollziehen kann ich es auch, dass man sich als Babysitter erstmal in die erlebte Situation des Kindes hineindenkt und dann natürlich mit seinen eigenen Ansichten vergleicht. Wenn man dann aber zu denjenigen gehört, die selbst einer verbalen Konfrontation aus dem Weg gegangen wären, quasi den leichteren, bequemeren Weg gegangen wären, um trotzdemh dem Gruppendruck gerecht zu werden, dann sollte man nicht vergessen, dass jedes Kind anders ist. Aber vor allem brauchen Kinder auch Referenzpunkte in der Erwachsenenwelt - Meinungen, Standpunkte - um ihre eigene Moral entwickeln zu können; Moral hat man ja nicht ab Geburt, sie entsteht erst langsam durch Kontakt mit der Umwelt. Deshalb denke ich, dass es besser gewesen wäre, das Dilemma konkret anzusprechen und das "Richtige" trotzdem zu vermitteln, auch wenn man selbst als Kind nicht so (bzw. genau so wie geschehen) gehandelt hätte.

 
Am 11 Juni, 2006 19:15 meinte Anonymous Anonym dazu:

Ach ja, zum Bilderrätsel: Meine ersten Gedanken waren "Hasen" und "Schweine" (letzteres wohl verursacht durch die Bestandteile selbst), aber ich glaube, es sind zwei Raupen! Richtig?

 
Am 11 Juni, 2006 21:23 meinte Blogger Malin dazu:

BINGO! Es sind zwei Raupen :)

Und was die Moralfrage angeht: die beiden Kommentare haben mich überzeugt und meine Meinung dahingehend gefestigt, dass ich Clara den moralisch richtigen Standpunkt hätte vermitteln müssen, obwohl ich weiß, dass ich mich in ihrer Situation nicht daran gehalten hätte. Aber Moraltheorie und -Praxis sind ja sowieso immer zwei verschiedene Dinge. Trotzdem muss ein Kind ja erstmal die richtige innere Einstellung haben, bevor es "korrekt" handeln kann, und die kann es ja nur in der Auseinandersetzung mit moralischen Fragen mit moralisch weiter entwickelten Menschen erlangen. Jetzt, wo ihr beiden diesen Punkt so schön angeregt habt, fällt es mir natürlich auch wie Schuppen von den Augen: Lawrence Kohlberg und seine Theorie der Moralentwicklung passen hier wie die Faust aufs Auge, und waren mir wohl etwas abhanden gekommen nach dem Studium (so viel zum Thema Theorie und Praxis...).

 

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